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Ach Gottchen, wie rührend


"Die Buchmesse ist doch nichts für Schriftsteller!" Wettert Uwe Heldt von der Berliner Dependance der Züricher Literaturagentur Mohrbooks so heftig, daß es fast eifersüchtig klingt. Vorsorglich schiebt er noch eine Warnung hinterdrein: "Dort werden Autoren nicht glücklich. Sondern fallen nach zwei oder drei Tagen in eine tiefe Depression. Dann merken sie nämlich, daß sie nicht allein sind. Sondern jeder nur einer unter vielen Tausenden."

Von einer "reinen Geschäftsmesse", einer "Arbeitsmesse" für Medienschaffende, spricht ähnlich dezidiert auch Peter S. Fritz, Geschäftsführer der Agentur Paul & Peter Fritz. Er besucht die Buchmesse seit dreißig Jahren. Aber er hat sie nie anders erlebt als "für alle Beteiligten erschöpfend trubelig". Klar, daß die Verlage sich gern mit ihren prominenten Autoren schmücken. Darum rät Fritz grundsätzlich zu Kurzaufenthalten: "Man sollte sich möglichst rar machen, um nicht den Eindruck zu erwecken, man habe sonst nichts zu tun." Außerdem, sagt er, haben die Verlage nur wenig Ressourcen, sich um alle zu kümmern, die gehätschelt und getätschelt werden wollen. Es verteile sich allerdings ungleichmäßig, meint Karin Graf von der gleichnamigen Berliner Agentur: Ausländische Autoren seien deutlich zuwendungsbedürftiger als ihre deutschsprachigen Kollegen. Klar, daß die Prominenz während der fünf Messetage alle Vorrechte, größte Aufmerksamkeit und die höchste Pflegestufe genießt. Betreuung? "Ach du meine Güte", klagt Esther von Bruchhausen, die Pressedame von Droemer Knaur, "unsere Autoren kommen gut allein zurecht." Eine Ausnahme will sie für ihren Verlag gelten lassen: die tibetanische Sängerin Soname Yangchen, "die wir ein bißchen beschützen müssen". Begleitschutz für den beschwerlichen Weg durchs Messegewühl - und zwischendurch mal zu Massage und Friseur? Oder mindestens eine Dolmetscherin für die Interviews? Frau Yangchen spreche sehr gut Englisch, heißt es. Basta. Bei Lübbe kümmern sich während der Messewoche "dreißig bis vierzig Leute vom Verlag" um die großen Namen. Dan Brown, zuletzt mit zwei Büchern auf den Bestsellerlisten, hat allerdings beizeiten abgewinkt. Der sei "an der Buchmesse nicht interessiert", war zu hören. Ganz anders Ken Follett, dem der Verlag - ebenso wie Pierre Brice, Christine Kaufmann und Dagmar Berghoff - ein Zimmer im "Frankfurter Hof" spendiert. Grundsätzlich werden die Gäste mit Limousinen abgeholt und vom Chauffeur auf die Messe gebracht. Am Stand gibt es dann zwar nur "kleine Happen, aber exklusiv", verspricht Michaela Kossmann von der Presseabteilung. Zweihundert Gäste sind am Mittwoch abend in den "Frankfurter Hof" geladen: Weil Ken Follets Romane seit 25 Jahren bei Lübbe erscheinen, gibt der Verlag einen Cocktail-Empfang mit anschließendem Essen im kleinen Kreis.

"Ein komplettes Wohlfühlpaket" hat die Verlagsgruppe Random House für ihre Lieblinge schnüren lassen. "Selbstverständlich", so die Pressechefin Claudia Hanssen, werden Autoren wie Melissa Bank oder Hatice Akyün und Wladimir Kaminer, Federica de Cesco oder Alison Lapper vom Flughafen, Bahnhof und Hotel abgeholt und zur Messe eskortiert: zu Interviews und Fernsehauftritten wie zum Shoppen. Blumen auf dem Zimmer sind obligatorisch, bei Bedarf werden auch Masseur, Visagistin und Friseur angeheuert. "Die Messe ist ein einziger Ausnahmezustand", sagt Gaby Callenberg aus der Presseabteilung des Verlags Kiepenheuer & Witsch. Um einen Star wie Mario Adorf kümmert sich selbstredend der Verleger Helge Malchow persönlich. Adorf kommt am Freitag und Samstag auf die Messe, ein wenig zeitversetzt zu Heike Makatsch, Helge Schneider, Uwe Timm und Manuel Andrack. Natürlich gibt es einen Fahrdienst. Und für die Autoren des Hauses neben heißen Messewürstchen auch Hand- und Gesichtsmassagen, am Stand von der Pressechefin persönlich verabreicht. Wen es nach Bundesliga-Fußball verlangt wie den bekennendenden Arsenal-Fan Nick Hornby, den begleitet Malchow, der für die Gespräche mit seinem Star-Autor sonst nach London fliegt, je nach Tabellenstand in ausgesucht messenahe Stadien. Auch bei Dumont ist die Betreuung der wichtigsten Autoren selbstverständlich Chefsache. Dabei hat Michel Houellebecq diesmal abgesagt. In den vergangenen beiden Jahren hat ihn einer der Verleger-Söhne "sechs Tage lang durch Frankfurt kutschiert", erinnert sich Gottfried Honnefelder, der zur Autorenpflege gern die Familie einspannt. Damit alles einen "privateren Rahmen" finden kann, bittet er seine Autoren, darunter John von Düffel und Arnold Stadler, zusammen mit dem Lektorat fern vom Rummel zu einem kulinarischen Abend ins "Frankfurter Haus" nach Neu-Isenburg. Dort sei man nämlich "ganz entre nous", und nach Mitternacht dürfe sogar lauthals gesungen werden. Für einen Rheinländer wie Honnefelder zweifellos der Höhepunkt der Messe. Ein "Rundumservice", so Kathrin Daehn von der Presseabteilung von C. H. Beck, sei in ihrem Haus selbstverständlich. Das meint Blumen aufs Hotelzimmer und persönliche Betreuung nicht bloß in Frankfurt, sondern ebenso bei den häufig unmittelbar sich anschließenden Lesereisen - für den Amerikaner Anthony Doerr nicht anders als für Jan Philipp Reemtsma oder Dagmar Leupold. Ursula Steffens von Rowohlt hat den von Suhrkamp nach Hamburg gewechselten Martin Walser, der immerhin für einen Tag auf die Messe kommt, im "Parkhotel" untergebracht. Um ihn kümmert sich der Verleger. Darum hat sie Zeit für Daniel Kehlmann und für Nicole Krauss vor allem - der rund um die Uhr außerdem ihre Lektorin zur Seite steht. Besondere Aufmerksamkeit beansprucht Stephen Hawking, der mit neun Personen anreist, Krankenschwestern ebenso wie Assistenten. Beim Berlin Verlag hat man sich außer um Ingo Schulze noch um Gila Lustiger und Henryk M. Broder zu kümmern. Kleine Häppchen, kalte und heiße Getränke - was denn sonst? "Wir bieten unseren Autoren kein Verwöhnprogramm", erklärt Thomas Sparr von Suhrkamp streng. György Konrad, Adolf Muschg und Cees Nooteboom hätten "zu arbeiten", fügt er hinzu und meint das Pensum an Lesungen und Interviews, das die Messe nun einmal jedem abfordere. Dafür wohne man aufs angenehmste im Gästehaus der Verlegerin. Kein geringes Problem übrigens: Wo läßt man die Autoren absteigen? Dicht bei der Messe im "Maritim" - oder vornehm und trubelfern im "Frankfurter Hof"? Wer seine Gäste demonstrativ verwöhnen will, bucht den "Frankfurter Hof". Und redet wie Ruth Geiger, die Pressechefin von Diogenes, lieber über die kleinen Aufmerksamkeiten, die sie allen zukommen läßt: Züricher Sprüngli-Schokolade zum Beispiel und frische Blumen aufs Zimmer, die sie eigenhändig auf der Bockenheimer Landstraße besorgt. Der Amerikaner Joey Goebel, als "literarische Entdeckung" ins Gespräch gebracht, darf mit seiner Lektorin Anna von Planta losziehen: eine Spezialbetreuung, wie sie weder Sibylle Mulot noch Fatou Diome oder Andrej Kurkow zuteil wird. Klar aber, daß man darauf Rücksicht nimmt, welche Restaurants Petros Markaris ("Nie zum Griechen!") bevorzugt und zu welcher Tageszeit Fatou Diome morgens aufzustehen bereit ist. Eine vergleichbare "Rundumbetreuung" gab es beim Piper Verlag zuletzt vor zwei oder drei Jahren, für Hans Küng und den Chilenen Antonio Skarmeta etwa. In diesem Jahr, sagt die Pressesprecherin Eva Brenndörfer, bekommt nur der Peruaner Sergio Bambaren seine Lektorin mit auf den Weg über die Messe. Gaby Hauptmann und der mit seinem Debütroman "Gezeichnet: Franz Klett" anreisende Tübinger Theologe Egon Gramer fänden sich allein zurecht. "Falls aber einer eine Pickelcreme braucht, ein Hemd oder einen Hut kaufen will", seien die PR-Damen "selbstverständlich zur Stelle". Daß deren Job "oft reines socialising" sei und "gelegentlich sozialpflegerische Züge" annehme, bestätigt man allgemein achselzuckend, oft mit hochgezogenen Augenbrauen. Eine "Knochenarbeit" nennt es Eva Brenndörfer: Dann zumal, sagt Eva Koralnik von der Agentur Liepman in Zürich, "wenn es zugeht wie in der Tanzstunde: Sechs oder acht Autoren sitzen stundenlang am Stand - und keiner will sie interviewen". Da sind, wenn auch gewiß nicht rund um die Uhr, verständige Seelenmasseure und gefühlstiefe Handaufleger gefordert.

Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 16.10.2005, Nr. 41 / Seite 60



zielgruppe

Tja, FASZ, es heisst leider nun mal "Zürcher", nicht "Züricher".

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die esther von bruchhausen

hat mir auch schomma bücher zum gutfinden geschickt

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Höllebeck durch Frankfurt chauffieren... grauenvoller Job.

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das is der preis

fürs dumontsohnsein

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hmm, wasn jetzt diese Twitter Sache? Ich versteh das nicht und bei www.mysexydate.de haben die das auch.
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by Matt Barkelo (31.08.12, 00:47)

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