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Am Geld fehlt's nicht Ein Ex-Weltbanker rechnet mit der Entwicklungshilfe ab

FRAGE: Herr Easterly, in Ihrem neuen Buch kritisieren Sie die Entwicklungshilfe. Was ist falsch daran, Armen Geld zu geben?

ANTWORT: Gar nichts. Das Problem ist, daß das Geld nicht bei den Armen ankommt.

FRAGE: Wie kommt das?

ANTWORT: Die Hilfen der Weltbank oder nationaler Organisationen wie der GTZ werden nicht unabhängig kontrolliert. Deshalb laufen die Projekte immer weiter, obwohl sie nichts bringen.

FRAGE: Kann die Weltbank ihre Maßnahmen nicht selbst kontrollieren?

ANTWORT: Das ist, als würde ich meine Studenten ihre Zeugnisse selbst schreiben lassen.

FRAGE: Wo müßten die externen Kontrollen ansetzen?

ANTWORT: Zum Beispiel in der Frage, warum die gerade einmal 12 Cent teure Medizin gegen Malaria nicht bei den Bedürftigen ankommt. Im letzten Jahr wurden 100 Milliarden Dollar für Entwicklungshilfe ausgegeben, und es starben immer noch zwei Millionen Menschen an Malaria.

FRAGE: Das Geld war verschwendet?

ANTWORT: Im großen und ganzen schon. In den vergangenen 42 Jahren gab es 2,3 Billionen Dollar an Hilfszahlungen. Und es gibt keinen Beweis, daß das Geld etwas Grundlegendes am Lebensstandard der Armen geändert hätte.

FRAGE: Aber es auch Erfolgsgeschichten, etwa in der Bekämpfung der Kinderlähmung.

ANTWORT: Aber es sind so wenige, daß sie immer wieder erzählt werden. Das eigentliche Ziel, den Ländern zu dauerhaftem Wirtschaftswachstum zu verhelfen, ist nie erreicht worden.

FRAGE: Schaden die Hilfen sogar?

ANTWORT: Manchmal schon. Es ist erwiesen, daß ein Land undemokratischer wird, je mehr Geld es erhält.

FRAGE: Warum ist das so?

ANTWORT: Im Westen funktionieren Demokratien, weil Bürger Steuern zahlen und dafür Gegenleistungen verlangen. Die Regierungen von Nehmerländern sind ihrem Volk gegenüber nicht rechenschaftspflichtig, weil das Geld gar nicht von Steuerzahlern kommt.

FRAGE: Wie kann den Armen dennoch geholfen werden?

ANTWORT: Es gibt Programme, die nach dem "trial and error"-Prinzip entwickelt werden und helfen. Mit Mohammed Yunus hat gerade ein solcher Sucher den Friedensnobelpreis gewonnen. Was für ein Kontrast zu dem Popstar Bono, der auch als Kandidat gehandelt wurde! Bono hängt dem Glauben nach, er werde Afrika mit Geld retten. Yunus glaubte am Anfang nicht, die Antwort bereits zu kennen. Sondern er ging in Dörfer, fragte die Leute, was sie brauchen.

FRAGE: Zu den Millennium Development Goals gehört unter anderem, die Armut zu halbieren. Was halten Sie davon?

Ich bin total dafür, die Armut zu halbieren. Aber ich glaube nicht, daß das durch eine zentralistische Planung erreicht werden kann. Es kann nur gelingen, wenn Einheimische einen Privatsektor aufbauen, wie das in China und Indien passiert ist. Sie werden die Entwicklungsziele erreichen. Die Länder in Afrika, die viel Geld bekommen, aber keinen Privatsektor haben, jedoch nicht.

FRAGE: Müssen manche Länder nicht erst auf einen gewissen Level gebracht werden, damit dort ein Markt entstehen kann?

ANTWORT: An Geld mangelt es nicht. Nigeria und Angola verdienen Hunderte Millionen Dollar mit dem Ölgeschäft und haben eine fürchterliche Infrastruktur. Es bringt nichts, den dortigen Regierungen mehr Geld zu geben.

FRAGE: FRAGE: Der englische Titel Ihres Buches lautet übersetzt "Die Bürde des weißen Mannes". Was wollen Sie damit ausdrücken?

ANTWORT: Es ist sarkastisch gemeint. Immer noch ist das Denken weit verbreitet, daß es Sache der Weißen ist, Afrika zu retten. Aber es ist die Aufgabe der Afrikaner.

FRAGE: Wie reagieren Afrikaner, wenn Sie ihnen das sagen?

Sehr positiv. Sie wollen nicht mehr hören, daß die Weißen für alles eine Lösung haben und daß in New York, Washington, London und Berlin über ihr Schicksal entschieden wird. Die Menschen haben ein großes Potential und werden zu oft daran gehindert, es auszuschöpfen.

FRAGE: Was lief in China anders als in Afrika?

ANTWORT: Nach der Ablösung des autoritären Führers Mao Tse-tung gab es eine starke Bewegung hin zu mehr Markt. Erst in der Landwirtschaft, dann in Exportbranchen. In Hongkong, Taiwan und Singapur gab es bereits funktionierende Volkswirtschaften, deren Unternehmen in China investierten und deren Experten ihr Wissen einbrachten.

FRAGE: FRAGE: Was kann Afrika von China lernen?

ANTWORT: Wenig. Das läßt sich nicht übertragen. Aber freie Märkte und freier Handel zahlen sich immer aus.

FRAGE: In Deutschland fürchten viele Arbeitnehmer, für weniger Geld arbeiten zu müssen, wenn die Märkte weiter geöffnet werden.

ANTWORT: Die Erkenntnis von Adam Smith, daß alle Länder von Freihandel profitieren, weil sie sich spezialisieren können, ist immer noch aktuell. Deutsche Arbeiter müssen nicht befürchten, daß ihre Löhne auf das Niveau von chinesischen oder afrikanischen Löhnen sinken. Denn sie arbeiten viel produktiver.

FRAGE: Würde erfolgsorientierte Entwicklungshilfe dazu führen, daß weniger Geld ausgegeben wird?

ANTWORT: Langfristig würde es eher mehr Geld sein. Wenn es gelingt, die Öffentlichkeit in reichen Ländern zu überzeugen, daß die Hilfe wirklich bei den Armen ankommt, wären die Menschen bereit, mehr auszugeben.

Das Gespräch führten Sebastian Bräuer und Winand von Petersdorff.

Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 22.10.2006, Nr. 42 / Seite 46



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